Die drei Bergleute im Kuttenberg

Die drei Bergleute im Kuttenberg, hessisches Märchen, mündliche Überlieferung.

In Böhmen liegt der Kuttenberg, darin arbeiteten drei Bergleute lange Jahre und verdienten damit für Frau und Kind das Brot ehrlich. Wann sie Morgens in den Berg gingen, so nahmen sie dreierlei mit: erstens ihr Gebetbuch, zweitens ihr Licht, aber nur auf einen Tag mit Öl versehen, drittens ihr bisschen Brot, das reichte auch nur auf einen Tag. Ehe sie die Arbeit anhuben, taten sie ihr Gebet zu Gott, dass er sie in dem Berge bewahren möchte und darnach fingen sie getrost und fleißig an zu arbeiten.

Es trug sich zu, als sie einen Tag gearbeitet hatten und es bald Abend war, dass der Berg vorne einfiel und der Eingang verschüttet wurde. Da meinten sie begraben zu sein und sprachen: „Ach Gott! Wir armen Bergleute, wir müssen nun Hungers sterben! Wir haben nur einen Tag Brot zu essen und einen Tag Öl auf dem Licht!“ Nun befahlen sie sich in Gott und dachten bald zu sterben, doch wollten sie nicht müßig sein, so lange sie noch Kräfte hätten, arbeiteten fort und fort und beteten.

Also geschah es, dass ihr Licht sieben Jahr brannte und ihr kleines bisschen Brot, von dem sie tagtäglich aßen, ward auch nicht all, sondern blieb eben so groß und sie meinten, die sieben Jahre wären nur ein Tag. Doch da sie sich nicht ihr Haar schneiden und den Bart abnehmen konnten, waren diese ellenlang gewachsen. Die Weiber hielten unterdessen ihre Männer für tot, meinten, sie würden sie nimmermehr wiedersehen und dachten daran, andere zu heiraten.

Nun geschah es, dass einer von den dreien unter der Erde, so recht aus Herzensgrund, wünschte: „Ach! könnt‘ ich noch einmal das Tageslicht sehen, so wollt‘ ich gerne sterben!“ Der Zweite sprach: „Ach! könnt‘ ich noch einmal daheim mit meiner Frau zu Tische sitzen und essen, so wollt‘ ich gerne sterben!“ Da sprach auch der Dritte: „Ach! könnt‘ ich nur noch ein Jahr friedlich und vergnügt mit meiner Frau leben, so wollt‘ ich gerne sterben!“

Wie sie das gesprochen hatten, so krachte der Berg gewaltig und übermächtig und sprang von einander, da ging der erste hin zu dem Ritz und schaute hinaus und sah den blauen Himmel. Wie er sich am Tageslicht gefreut, sank er augenblicklich tot nieder. Der Berg aber tat sich immer mehr von einander, also dass der Riss größer ward, da arbeiteten die beiden andern fort, hackten sich Treppen, krochen hinaus und kamen endlich heraus.

Sie gingen nun fort in ihr Dorf und in ihre Häuser und suchten ihre Weiber aber die wollten sie nicht mehr kennen. Sie sprachen: „Habt ihr denn keine Männer gehabt ?“ „Ja,“ antworteten jene, “aber die sind schon sieben Jahre tot und liegen im Kuttenberg begraben!“ Der Zweite sprach zu seiner Frau: „Ich bin dein Mann,“ aber sie wollt‘ es nicht glauben, weil er den ellenlangen Bart hatte und ganz unkenntlich war. Da sagte er: „Hol‘ mir das Bartmesser, das oben in dem Wandschrank liegen wird und ein Stückchen Seife dazu.“ Nun nahm er sich den Bart ab, kämmte und wusch sich und als er fertig war, sah sie, dass es ihr Mann war.

Sie freute sich herzlich, holte Essen und Trinken so gut sie es hatte, deckte den Tisch und sie setzten sich zusammen hin und aßen vergnügt mit einander. Wie aber der Mann satt war und eben den letzten Bissen Brot gegessen hatte, da fiel er um und war tot.

Der dritte Bergmann wohnte ein ganzes Jahr in Stille und Frieden mit seiner Frau zusammen, als es herum war, zu derselben Stunde aber, wo er aus dem Berg gekommen war, fiel er und seine Frau mit ihm tot hin. Also hatte Gott ihre Wünsche ihrer Frömmigkeit wegen erfüllt.

(Quelle: Deutsche Sagen, herausgegeben von den Brüdern Grimm, Erster Band, Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1865)