O Schwarzwald, o Heimat, wie bist du so schön

O Schwarzwald, o Heimat, wie bit du so schön
Gedicht von Ernst Scherenberg


Zehn Jahre – doch dünkt es wie gestern so neu
Dem Herzen voll Liebe, dem Herzen voll Treu´.
Um alternd Gemäuer floss goldiger Strahl,
Umglühte die Wälder, die Berge, das Tal;
Wir schwiegen in Andacht, da scholl´s von den Höh´n:
„O Schwarzwald, o Heimat, wie bist du so schön!“

Dein Lied war´s, gesungen in Jugend und Glück,
Vom Munde des Volkes nun klang dir´s zurück;
Für Jahre voll Täuschung und brennendem Hohn
Dem lauschenden Dichter der köstlichste Lohn!
Wie schlürft´ er so durstig den labenden Trank:
„O Schwarzwald, o Heimat, wie bring´ ich dir Dank!“

Wo schäumend Gewässer die Tanne umrauscht,
Da haben wir Seele um Seele getauscht,
Da hast du dem Freunde dein Innres entrollt,
So klar wie Kristall und so lauter wie Gold,
Dein Streben und Ringen in Jubel und Schmerz –
O Schwarzwald, o Heimat, wie schlug dir dies Herz!

Nun ist es gebrochen in Fülle der Kraft,
Das treu bis zum Tode gesorgt und geschafft.
Nun rostet das Schwert und nun rastet der Stab,
Wo du es ersehntest, dort ward dir dein Grab.
Draus weht es wie Frieden den Kämpfenden zu:
„O Schwarzwald, o Heimat, in dir fand ich Ruh´!“

Die Lippe verstummte doch lebet dein Lied,
Solang noch den Schwarzwald ein Wandrer durchzieht!
Es rauscht in den Tannen, es klingt in der Luft,
Schwebt über des Sängers schweigende Gruft
Empor aus den Tälern, herab von den Höh´n:
„O Schwarzwald, o Heimat, wie bist du so schön!“

(Elberfeld, im Herbst 1888)


Quelle: Aus dem Schwarzwald, Gedichte von Ludwig Auerbach, herausgegeben von Friedrich Geßler und Ernst Scherrenberg, Verlag vvon Moritz Schauenburg, Lahr, 1889