Das Vaterhaus

Das Vaterhaus, eine Erzählung von Heinrich Hansjakob.

Da, wo Stadt und Vorstadt der Heimat sich scheiden, an einer Ecke der Trennungsstraße, steht mir das Vaterhaus, ein Bürgerhaus wie die meisten Häuser der Art in kleinen Städten. Vater und Mutter waren als junge Eheleute in das zur Gründung ihres Hausstandes neu gekaufte, von einem Schneider eben erbaute Haus eingezogen. Mein braver Vater war Bäcker, wie der Großvater und Urgroßvater und wie seine sämtlichen Brüder. Die Zahl der Bäcker in meiner Vaterstadt ist überhaupt Legion. Und es hat mich schon in der Jugend oft gewundert, wer das Brot alles essen möchte, das von diesem Bäckerbataillon täglich oder richtiger nächtlich gebacken wurde und noch gebacken wird.
Mein Großvater, den ich übrigens nicht mehr kannte und der in dem kleinen Häuschen neben dem Pfarrhause seine Backstube hatte, war gar der „Eselsbeck“. Er hatte sich diesen Namen selbst gegeben, weil an Markttagen die Schwarzwälder, die auf Eseln ihre Butter brachten, ihre Grautiere bei ihm einstellten. Von seinem Humor, der auf Sohn und Enkel sich vererbte, erzählte mein Vater mir, dem Knaben, noch viel.
Trotzdem er einen Bruder hatte, der geistlicher Herr war, hielt der „Becke-Peter“ und „Eselsbeck“ nicht viel auf Bildung. Er wollte seine Buben nicht einmal in die Schule schicken, weil er keine „Herren“ aus ihnen machen wollte und glaubte, wer lesen und schreiben könne, sei schon ein halber Herr und tauge nichts mehr zur gewerblichen Arbeit. So kam es, dass mein Vater anno 49 bei dem preußischen General, der ihn zum Bäckermeister ernannt hatte, mit der Entschuldigung davon kam, „dass er schlecht in der Feder“ sei.
Ich habe von meinem Vater, der anerkannt ein Mann von offenstem Kopfe, ein tüchtiger Geschäftsmann und kreuzbraver Familienvater war, kaum mehr Schriftliches gesehen als seine Namensunterschrift oder Einträge in den Kalender über Ankauf oder Verkauf von Kühen und Schweinen, Früchten oder Kartoffeln.
Meine Mutter war ein heiteres, lebensfrohes Haslacher Kind mit kleinen, lebhaft funkelnden, schwarzen Augen, oft aufgelegt zu Witz und Satire – ehe in ihrem tiefern Frauenalter des Lebens Kummer und Sorgen, deren sie unmenschlich viele zu tragen hatte, auch ihr die ständige Heiterkeit nahmen.
Als ich Vater und Mutter, eren Erstgeborener unter sieben Kindern ich war, kennen lernte, sah ich den Vater in der Backstube und die Mutter am Spinnrade.

Der Vater buk, die Mutter spann,
Als das Kind sie lieb gewann.

Und wenn der Vater, ein großer, starker Mann aus der Backstube in die Wohnstube kam, mich mit einer Hand ergriff und an seiner Riesengestalt hinauf an die Zimmerdecke hielt und dann in den Schoß der spinnenden Mutter niedersetze – damals erkannte ich in den ersten bewußten Momenten Vater und Mutter.
Es ist eine lange, lange Zeit vom ersten Erkennen der Eltern bis zu jenen, da man sie voll bis zu jenen Stunden, da man sie voll und ganz erkennt und sie in ihrem gebührenden Wert zu schätzen weiß. Ich behaupte nämlich, dass diese Zeit erst kommt, wenn die Eltern nicht mehr leben, wenn sie tot sind und wir selbst, älter geworden und in der Welt umhergeworfen, nach dem Kindesglück zurück uns sehnen und nach jenen Tagen, in denen wir alles kümmern und Sorgen den Eltern überließen.
Und wenn diese Zeit kommt, und sie kommt meist erst in unserem Mannesalter, dann fühlen wir erst recht, was Vater und Mutter uns gewesen. Dann erst tritt jenes süße Bild, das in jeder Menschenseele ruht, jenes Bild, das im Dunkel der Nacht wie im Geräusche des Tages uns erscheint, voll und ganz in unser Bewußtsein, jenes Bild, das da ist das Andenken an treue, liebevolle Eltern. Dann kommen jene Stunden, in denen man sein Herzblut gäbe, wenn man die toten wieder auferwecken könnte, um sie zu ehren zund zu leiben, wie sie es verdienten.
Ihr seid schon lange tot, geliebte, unvergeßliche Eltern! Jene Jahre, da du, braver Vater, im Schweiße deines Angesichts für deine Kinder sorgtest, und du, gute Mutter, ihnen das Linnen spannst, liegen in fernster Vergangenheit; – aber ich bin heute nicht imstande niederzuschreiben, was ich euch schulde und was ihr mir waret. Ich kann nur weinen, weinen Tränen der innersten Wehmut und des Dankes. –
Jeder Mensch, sei er Fürst oder Bettler, wird seinen Eltern das dankbarste Andenken bewahren. Wessen Eltern aber durch die stete ehrliche Arbeit ihrer Hände dafür sorgten, dass der Kinderhimmel immer ungetrübt ihm leuchtete, der wird mit der süßesten Erinnerung seines Vaters und Mutters gedenken. Und um dieser Erinnerung willen wollte ich nicht, dass der liebe Gott mir andere Menschen zu Eltern gegeben hätte.
Ich war schon ein Knabe, als der Vater die „Stadtwirtschaft“ ins haus nahm. Von jetzt ab verschwand der Mutter Spinnrad mehr und mehr; sie hatte ihre Gäste zu bedienen. Mir aber wurde die Wirtsstube eine wahre Schule des Lebens.
Was kann ein Kind da Gutes lernen? – wird man fragen. Ich habe in dieser Stube das Volk kennen gelernt, das sogenannte gemeine Volk, den niederen Bürger und Handwerker, den Bauer und sein Gesinde. Und wer das Volk nicht kennt, der kennt den Menschen und die Menschheit nicht.
Ich habe in der väterlichen Wirtsstube manch rohes Wort gehört – ein unsittliches nie, weil der Vater derlei nicht duldete – und manchen Fluch vernommen; aber sind spurlos der Zeit verfallen, während eine Stimme von Menschenkenntnis unbewußt damals in mich hineinkam, die mir jetzt längst zur klaren Erkenntnis aufgestiegen ist. Welche Fülle von Charakteren, von Persönlichkeiten, von Witz, Humor, Treuherzigkeit, Freude und Selikeit, und welche Menge von Urteilen aus dem Volk über das Volk!
Sie sind längst von der Erde gechieden, die Bauern und Bäuerinnen, die in meiner Knabenzeit an Markttagen von den Bergen herab im Vaterhaus Einkehr hielten, ebenso die Bürger, die am Sonntag da ihr „Schöpplein“ holten, aber sie sind mir unvergeßlich als meine besten Lehrer über Menschentum und Volk.
Ähnlich standen meinen Herzen nahe oder richtiger näher die Dienstboten im Vaterhaus. Das waren Hugo, der Knecht, Sepp der Bäckerkunge, und Luitgard, die Magd. Alle drei waren einfache Bauernkinder, aber alle drei glänzende Sterne an meinem Kinderhimmel.
Hugo lehrte mich die Liebe zu den Tieren; ihm verdanke ich meine Kinderfreuden im „Stalle“. Wie rümpfen so viele Menschen hochmütig die Nase, wenn sie vom „Stall“ und „Vieh“ reden hören! Ich gestehe gleichwohl offen, dass ich im Stalle bei meinem Freund Huge, dem schmutzigen Bauernknecht, unter den Rindern, Kühen und Kälbern mehr natürliche Freude erlebt habe als die vornehmen Kinder unserer Zeit in ihren „Puppenzimmern“ und unter dem Firlefanz, der sie ziert. Und wenn ich mit Hugo auf dem Kuhwagen, der mit duftigem Klee beladen war, mitten in Grün und Blumen sitzend, hineinfuhr, da war ich mindestens ebenso glücklich wie das kleine Prinzlein, das mit seinem langeiligen, steifen Hofmeister im Prachtwagen durch des Vaters Residenz fährt. –
Wer nicht mit den Haustieren im Stalle herzlichen Verkehr gehabt in seiner Jugend, dem geht ein Stück Humanität ab, der wird nie ganz lernen, die Tiere als Geschöpfe Gottes zu lieben und zu – achten.
Als mir der Vater später einmal ein Schaf kaufte bei dem „Dörlesbauer“, zwei Stunden vom Vaterhaus weg im Gebirge, das Tier aber dort auf der Weide blieb, da kannte ich keine größere Freude, als von Zeit zu Zeit mein Schaf zu besuchen. Und als im ersten Jahre das Tier mir zwei Lämmer brachte, da hatte ich an meiner Schaffamilie auf der steieln Bergwand des Kinzigtals mehr und reinere Freuden als alle Katzenfreundinnen in Europa zusammen, wenn sie ihren Kater oder ihre Kätzin auf dem Schoß streicheln.
Und da ich im Jahr 1899 den Hirtenknaben vom Dörlesberg, der vor fünfzig Jahren meine Schafe bewacht, als greisen Mann zum ersten Male wieder sah, , da kostete es mich Freudentränen. –
Aber der „Hugo“ hat auch noch ein anderes Verdienst um mich. Ihm verdankt meine Jugendseele den ersten Anblick einer „Ritterburg“.
Auf einer Höhe zwischen Elz- und Kinzigtal, in einsamer Gegend, steht die längst zerfallene „Heidburg“, zu ihren Füßen an einem vermoosten Bergsee die kleine, schwarze Vaterhütte Hugos, in der er heute seine Tage beschließt. Dahin nahm er mich an einem Sommer-Sonntagmorgen mit. Ich hatte durchaus einmal eine Burg sehen wollen. Und warum? In der kleinen, dunklen Backstube meines Vaters war „König Arturs Tafelrunde“. Da saßen fast allabendlich und allmächtlich Sommer und Winter Hugo, Sepp und ich. In diesen trauten Stunden, da das Geschäft beim Sepp Pausen auferlegte, bis das Brot „gegangen“ war, hat er „Geschichtenbücher“ vorgelesen: Ida von Toggenburg, die vier Haimonskinder, die schöne Maggellone, Ritter Peter mit dem goldenen Schlüssel u.a. Der Jahrmarkt hatte Stück für Stück zu sechs Kreuzer ins Städtle gebracht.
Und was Sepp aus den Büchern las, das zeigte mir Hug´ eines Tages in Wirklichkeit – eine Ritterburg, zwar bis auf den Grund zerfallen, aber meine Seele jubelte doch, als wir die Wasserscheide erstiegen hatten und in dem alten Gemäuer umhergingen. Jetzt hatte ich ein Quartier für meine Ritter und Burgfräulein aus der Backstube, für den Ritter Peter und für die Emme von Finkenstein und die Ida von Toggenburg.
Und wenn ich mir heute den Hugo vorstelle, wie er als alter Mann in jener dunklen, armseligen Hütte am Moos unter dem Schlosse lebt, auf jener verlassenen Flur, die jahraus jahrein kein fremder Fuß betritt, die aber eine Fernsicht bietet auf alle Berge des nördlichen Schwarzwalds, so schwimmt mir der arme Taglöhner in einem Meere von Poesie, und ich möchte mit ihm nochmals in seiner Hütte sitzen und erzählen von der – Jugendzeit. Und ich beneide ihm um das Leben und Sterben auf jener verlassenen, mir von dem ersten Ritterzauber der Kindheit umdufteten Höhe, Hochmunde vom Volke genannt.
Das War Huge, der Knecht im Vaterhause, ein blasser, stiller Mensch, mit dunklen, sinnenden Augen und keiner der kleinsten Sterne an dem Himmel meiner Jugendzeit. –
Ihm reihte sich Sepp an, der Bäckerjunge, mein Lehrer in der Tauben- und Vogelkunde, der Vorleser in der Backstube.
Jeder Mensch ist von Natur aus selbstsüchtig und bleibt es mehr oder weniger sein Leben lang. Ja es liegt selbst wieder ein Stück Selbstsucht darin, wenn wir diese um des Himmels willen bekämpfen und hiernieden leiden und dulden.
So ist auch das naturgemäßeste Menschengewächs, die Kindheit, voll von Selbstsucht.
Ob die Stürme toben und die kleinen Menschen auf der Straße fast umwerfen, ob die Wasser des Himmels und der Erde rauschen, ob die Glühhitze der Sonne oder die Eisedecke des Winters die Erde heimsuchen – immer dienen sie der Kindesseele zur selbsteignen Freude. So muß auch die Blume des Feldes, die Frucht des Baumes, das Fischlein am Bache und der Vogel in der Luft – sie alle müssen dem selbstsüchtigen Liebesrausche der Kinderseele zum Opfer fallen.
Das Höchste aber, was die Kindheit ihrer Selbstsucht opfert, womit sie ihren Himmel aus der Natur belebt – ist die Vogelwelt. Von der steilsten Tanne des Waldes, aus dem himmelhohen Gemäuer des Kirchturms müssen mit Lebensgefahr der junge Sperber und die wollige Eule herunter in den Kinderhimmel, so gut wie die Grasmücke aus dem niedrigen strauche am Talbach und der Distelvogel vom Zwetschgenbaum im Hausgarten. Und dreimalig selig das Kinderherz, wenn das erste Vöglein an seiner klopfenden Brust ruht, das ängstlich schauende, mit dem kleinen Vogelherzen zitternde Vögelein. Das eine, das Vögelein, möchte sterben vor Angst und das andere, das Kind vor Freude.
Und diese intensive Herzensfreude hat mir zuerst der Sepp verschafft. Und ich sollte seiner vergessen?
Die Mutter hatte einmal den Lehrjungen beauftragt, im „Urwald“ Reisig zu holen für die Erbsen im Garten. Der Sepp nahm mich mit. Kaum in den Tannenwald eingetreten, hörten wir das Geschrei junger Vögel. Sepp eilt dem Geschrei zu, und nach wenigen Minuten hat er zwei bunte „Herrenvögel“ erjagt und bringt sie mir.
In ein Taschentuch gebunden, empfängt sie mein stürmisch schlagendes Herz und drückt sie mit beiden Händen an der Brust fest, bis Sepp sein Reisig hat und wir zu Hause sind.
Drei Tage dauerte die Herrlichkeit, und dann waren die Vögelein – tot.
Sepp gab die erste Vogelfreude, aber auch den ersten Trost über die toten Vögelein. Er lehrte mich das Begräbnis. Jedes wurde in ein besonderes Gräblein begraben, und jedes bekam ein kleines hölzernes Kreuzlein auf sein Grab. Fotan haben ich und meine Kameraden viele, viele tote Vögelein, die in unserem Kinderhimmel für kurze Zeit fliegen und dann sterben mußten, so begraben, uns sie alle wähnten wir unsterblich kraft des Siegeszeichnes Jesu Christi über Tod und Vergänglichkeit.
Aber der Sepp hat sich noch mehr um meinen Kinderhimmel verdient gemacht. Er fertige mir den ersten Taubenschlag und holte mir in seiner Heimat, weit droben im Schappachertal, die ersten Tauben. Was das für eine Großtat in einem Kinderleben ist, das vermag nur der zu begreifen, der in seiner Jugend einen Taubenschlag besessen hat.
Sepp ging schon vor er Revolution „übers große Wasser“, wie die Kinzigtäler sagen, d. i. nach Amerika. Dort ist er verschwunden und verschollen; in meinen Jugenderinnerungen aber lebt er fort und wird er fortleben, so lange das Andenken an die Jugendzeit in mir nicht stirbt.
Der dritte im Bunde meiner Hausfreunde war „Luitgarde“, die Magd, die Beschließerin und Bewahrerin meiner wenigen Kleider.
Wer da weiß, wie oft der junge Erdensohn mit der Mutter Erde in Berührung kommt, der wird auch das Verdienst derjenigen zu würdigen wissen, die Höslein und Hemdlein wäscht und flickt. Die Luitgarde war aber auch meine Lehrerin im – Schuh- und Stiefelwichsen. Man wird vielleicht lächeln über diesen einfältigen Satz. Aber viele kennen eben die Seligkeit nicht, die ich genoß, wenn ich am Vorabend vor Sonn- und Feiertagen auf der Bank vor dem Vaterhause saß und meine Stiefel wichste, voll von Gedanken an den morgenden Freudentag.
Die Luitgard war auch ein Kind einsamer Berge. Wie ein Schwalbennest hing die Hütte ihres Vaters an einer Bergwand gegen den Rhein hin. Öfters begleitete ich sie auf den „Hessenberg“, wie ihre Heimat hieß. Aber dieser Hessenberg war unseres Herrgotts Berg mit einer Sicht auf ein Stück irdischen Paradieses. Und ich weiß nicht, ob ich später so glücklich war, als ich von Camaldolis Höhe Neapels Golf um den Vesuf gesehen, wie damals, da ich oberhalb der Hütte unserer Luitgard den Vater Rhein, das Straßburger Münster, die Vogesen und all ds Bergland rings um die Heimat zum ersten Male in meine Seele einließ.
Die großen Menschen nur sind undankbar. Das Wort „schwarzer Undank“ steht nicht im Wörterbuch der Kindheit. Für jedes, auch das kleinste Gute, das wir in der Kindesezit genossen, bleibt uns die dankbare Erinnerung. So habe ich es auch dem greisen Vater der Luitgard nie vergessen, dass er mir den ersten Honig aufgestellt hat und aufgestellt im Überfluss. Und als ich später in der Schule vom „gelobten“ Lande hörte, das von Milch und Honig floß, so dachte ich mir das ganze „heilige Land“ voll von Hütten, wie Luitgards Vater sie bewohnte, und rings um die Hütten Bienenkörbe und an den Tischen Kinder, den den Hönig mit großen Löffeln zum Munde führten. Das gelbote Land der Heimat war mir der Hessenberg, und der alte „Bernhard“ war mein Josua, der mich dahin geführt.
Er ist längst in der Ewigkeit, der kleine Mann mit der nie fehlenden Tabakspfeife; möge er wohnen in den Höhen des Himmels. Und die Luitgard ist ihm jetzt auch nachgegangen. Sie heiratete unfern der Vaterhütte, den „Wolfen-Matthis“ am Fuße des Hessenbergs und wurde eine Bäuerin. Dort sah ich sie anno 1879 zu letzten Mal, umgeben von Söhnen und Töchtern. –
Die genannten Dienstboten waren mir nach Vater und Mutter die sympathischsten Menschen im Vaterahus.
Aber noch wohnten im Hause der „Herr“ und die „Frau“, di. der alte fürstenbergische Rentmeister Fischer und seine Gatten, nebst einer auch nicht mehr jungen Köchen, der „Mariann“.
Die Frau und die Köchen warin mir, dem Gassenlümmel, der nichts als Unruhe, Gepolter und Staub ins haus brachte, spinnefeind, und ich sehe die Augen der beiden jetzt noch in feindlich giftigem Sinne auf mich gerichtet. Der „Herr“ aber, die beste Seele von der Welt, saß den ganzen Tag am Fenster und rauchte aus einer Pfeife denn er war außer Dienst. Wenn aber die Türe zu der Wohnstube aufging und ich von weitem die goldenen Tafelrahmen, die Kanapees und die gepolsterten Stühle sah, da ergriff mich die Vornehmheit, Steifheit und Totenstille jener Räume derart, dass ich die Stiege hinabeilte auf Gottes freie, unmöbilierte und lustige Straße.
So sah es aus im Vaterhaus, wo alles still und friedlich seine Arbeit, seine Wege und seine Freuden ging. Unterbrochen ward die ruhe nur durch die scharfen Straferekutionen, die mir nicht selten, unter vielem Weinen meinerseits, vom Vater zukamen.
(Quelle: Im Schwarzwald, Verlag von Franz Leichter, 9. – 12. Tausend)