Der im Berge schlafende Kaiser

Der im Berge schlafende Kaiser.

Von dem Kyffhäuser wissen die Leute der Umgegend gar vielerlei zu erzählen; die verbreitetste Sage aber ist die, daß, wie Kaiser Carolus Magnus zu Nürnberg auf der Burg sich in einen sehr tiefen Brunnen verwünscht habe, Kaiser Friedrich, der Rotbart zubenannt, mit seinem Hofgesinde in dem Kyffhäuser wohne. Er sitze darin auf einer Bank an einem Steintische, halte den Kopf in der Hand und ruhe oder schlafe; dabei nicke er aber stets mit dem Kopfe und zwinkere mit den Augen, als ob er nicht recht schliefe oder bald wieder erwachen wolle; sein roter Bart sei ihm durch den Tisch hindurch bis auf die Füße gewachsen. Auch stehen die Leute in dem Gedanken, daß der Kaiser vor dem jüngsten Tage wieder aufwachen und sein verlassenes Kaisertum aufs neue antreten und wieder bestätigen werde. Wenn er dann hervorkomme, werde er seinen Schild an einen dürren Baum hängen, davon werde der Baum grünen und eine bessere Zeit werden. Andere sagen, sein Bart sei um den Tisch gewachsen, dergestalt, daß er dreimal um die Rundung des Tisches reichen muß bis zu seinem Aufwachen, jetzt aber geht er erst zweimal darum. —
Nach Grimm.


Quelle: Deutscher Sagenschatz, herausgegeben von Dr. J. W. Otto Richter, Verlag von Otto Mähnert, Eisleben, 1877