Der verlorene Kaiser – Autor unbekannt.
Kaiser Friedrich wurde vom Papste in den Bann gethan und die Fürsten der Eide und Treue gegen ihren Herrn ledig gemacht. Deshalb wurden dem Kaiser alle Kirchen und Kapellen verschlossen und ihm kein Gottesdienst mehr gehalten und keine Messe gesungen. Da ritt nun der Kaiser einmal vor dem Osterfeste, damit die Christenheit durch ihn nicht verhindert würde die heilige Zeit zu begehen, hinaus auf die Jagd. Niemand von seiner Begleitung wußte des Kaisers Sinn und Gedanken. Er hatte aber sein edles Gewand angelegt, das ihm aus dem Lande Indien gesendet war, nahm ein Fläschlein mit schmackhaftem Brunnen zu sich, bestieg sein gutes Roß und ritt hinaus in den fernen Wald; nur wenige Herren folgten ihm dahin. Jm Walde steckte er ein wunderkräftiges Ringlein an den Finger und sogleich verschwand er vor den Augen aller, so daß ihn niemand mehr gesehen hat und man nicht weiß, ob er noch lebendig sei. So ward der hochgeborene Kaiser Friedrich dort verloren. Doch sagen die Bauern, daß er sich oft als ein Waller habe sehen lassen, auch öffentlich ihnen gesagt habe, daß er auf römischer Erde noch gewaltig werden und die Pfaffen stören solle und nicht aufhören noch ablassen werde, bis er das heilige Grab wieder in der Christen Hand gebracht habe; dann werde er „seines Schildes Last hängen an* den dürren Ast.“
(Nach einem alten Gedichte)
Quelle: Deutscher Sagenschatz, herausgegeben von Dr. J. W. Otto Richter, Verlag von Otto Mähnert, Eisleben, 1877