Der Löwe und die Maus

Der Löwe schlief in seiner Höhle. Um ihn her spielte eine lustige Mäuseschar. Eine davon war eben auf einen hervorstehenden Felsen gekrochen, fiel herab und weckte den Löwen, der sie mit seiner gewaltigen Tatze festhielt.
„Ach“, bat sie, „sei doch großmütig gegen mich armes, unbedeutendes Geschöpf! Ich habe dich nicht beleidigen wollen. Ich habe nur einen Fehltritt getan und bin vom Felsen herabgefallen. Was kann dir mein Tod nützen? Schenke mir das Leben, und ich will dir immer dankbar sein.“
„Geh hin!“ sagte der Löwe großmütig und lies das Mäuschen springen. Bei sich aber dachte er: Nu, das möchte ich doch sehen, wie sich ein Mäuschen einem Löwen dankbar erweisen könnte.
Kurze Zeit darauf suchte das Mäuschen im Walde Nüsse. Da hörte es ein klägliches Gebrüll. „Das ist der Löwe“, sprach es zu sich selbst, „er ist gewiß in Gefahr.“ Mit diesen Worten lief es der Stelle zu, von wo das Gebrüll ertönte.
Da sah es den Löwen, der sich in einem Netze gefangen hatte. Die Stricke waren so stark, dass er sie nicht zerreißen konnte.
„Warte nur, mein Freund“, sagte das Mäuschen, „da kann ich dir helfen!“
Es lief hin und zernagte die Stricke, die seine Vordertatzen gefesselt hielten. Als diese frei waren, zerriß der Löwe das übrige Netz mit Leichtigkeit. So ward er durch die Hilfe des Mäuschens wieder frei.


Der Löwe und die Maus ist eine Fabel nach Äsop
(Quelle: Uralte Weisheit – Fabeln aus aller Welt, Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., Bonn, ohne Jahr)