Der mutige Knabe – Autor unbekannt.
Einen wilderen Jungen, als Andreas, gab es weit und breit nicht. Im Hause bleiben oder gar in die Schule gehen, das war nicht eine Sache. Draußen im Walde, auf den Hügeln oder unten am Ufer des Flusses, da gefiel es ihm am besten. Oft saß er auf der Böschung des Bahngeleises und schaute den vorbeisausenden Zügen nach. So gut aber gefiel es ihm in der wilden Gegend, in welcher das einsame Blockhaus seiner Eltern lag, daß er sich kein einziges Mal wünschte, auch einmal mitzufahren.
Eines Tages, als er wieder auf dem Bahngeleise hinlief, sah er, daß die Schienen nicht so lagen wie gewöhnlich. Nun verstand er wohl nichts von Eisenbahnen und Lokomotiven und Schienengeleisen. Aber gehört hatte er schon von seinem Vater, daß häufig großes Unglück entstehe, wenn die Schienen auf dem Geleise nicht in Ordnung seien.
Andreas dachte noch über die Sache nach, als das Geräusch eines herannahenden Zuges sein Ohr traf. Kurz besonnen, stellte sich der mutige kleine Knabe mitten auf das Bahngeleise und streckte seine Arme aus, so weit er konnte.
Näher und näher kam der Zug mit Windesschnelle. Der Maschinist bemerkte den Knaben und ließ die Dampfpfeife wiederholt laut ertönen, um ihn zu warnen, daß er aus dem Wege
gehe. Aber umsonst. Andreas wich keinen Zoll, und der Maschinist mußte den Zug zum Stillstehen bringen. Schon wollte er den Knaben schelten, als dieser auf das Geleise zeigte, wo mehrere Schienen herausgenommen und quer darüber gelegt waren.
Da sah der Maschinist, daß der Kleine durch seine Unerschrockenheit viele Menschen vor einem sicheren Tode bewahrt und den Zug gerettet hatte.
Groß war die Freude, und laut waren die Dankesbezeugungen der inzwischen ausgestiegenen Passagiere.
Andreas aber legte sich wieder ruhig auf einen Platz auf der Böschung nieder und sah zu, wie der Zug auf dem wiederhergestellten Geleise weiterfuhr.
Mancher Segenswunsch wurde ihm von den geretteten Passagieren noch zugerufen.
Es dauerte auch nicht lange, da kehrte in Andreas‘ ärmlichem Heim der Wohlstand ein; denn die Geretteten hatten dankbar seinen Eltern eine größere Summe Geldes zum Geschenke gemacht, mit der Bedingung jedoch, daß daraus auch die Kosten einer guten Schulbildung für Andreas bestritten werden sollten. Das geschah auch.
(Quelle: Höheres viertes Lesebuch für amerikanische Schulen, American Book Company, ohne Jahr)