Der schöne Eichbaum

Der schöne Eichbaum – Erzählung von Christoph von Schmid.

Ein Schäfer saß in dem Schatten einer Eiche, und ein kleiner Sohn saß neben ihm. Da kamen drei fremde Männer, die unter der Landmiliz dienten und in ihren blau und roten Uniformen und mit ihren glänzenden Waffen ein sehr kriegerisches Aussehen hatten.
Sie bewunderten die prächtige Eiche. „Ein schöner Baum!“ sagte der eine. „Wenn ein Holz zum Verkohlen taugte, wollte ich wohl etwas daran gewinnen.“ „Das könnte wohl sein, Kohlenbrenner,“ sagte der Schäfer.
Der andere rief: „Wenn ich den Baum abschälen dürfte, so könnte ich mich auf ein ganzes Jahr mit Lohe versehen.“ „Wohl wahr, Gerber,“ sagte der Schäfer; „es wäre aber doch schade um den schönen Baum.“
Der dritte sprach: „Ei, ei, wie hängt der Baum so voll Eicheln! Wenn ich sie mit meinen Schweinen verfüttern könnte, da wollte ich gute Würste auf den Markt bringen.“ Der Schäfer sagte: „Die Eicheln werden bald versteigert; da müßt ihr auch darauf bieten, Meister Metzger.“
Als die drei Männer fort waren, sagte der Knabe des Schäfers: „Vater, kennst du diese Männer schon länger?“ „Nein,“ sprach der Schäfer; „ich sehe sie heute zum erstenmal.“
„Aber,“ fragte der Knabe weiter, „woher weißt du denn, daß der erste ein Köhler, der zweite ein Gerber und der dritte ein Metzger sei? Man sieht es ihnen ja nicht an; sie sind ja alle drei wie Soldaten gekleidet.“
„An den Kleidern,“ sprach der Vater, „merkt man es freilich nicht; ich nahm es aber aus ihren Reden ab. Jeder Mensch redet gerne von seinen Geschäften, am allerliebsten aber von dem, wovon ihm das Herz voll ist.
„So reden gute Menschen nur Gutes; böse Menschen hingegen verraten sich bald durch böse Reden, und so kann man sie leicht kennen lernen und sich vor ihnen in acht nehmen.“


(Quelle: Höheres viertes Lesebuch für amerikanische Schulen, American Book Company, ohne Jahr)