Deutscher Rat

Deutscher Rat – Gedicht von Robert Reinick.

Vor allem Eins, mein Kind: Sei treu und wahr,
Laß nie die Lüge deinen Mund entweihn!
Von alters her im deutschen Volke war
Der höchste Ruhm, getreu und wahr zu sein.

Du bist ein deutsches Kind, so denke dran.
Noch bist du jung, noch ist es nicht so schwer,
Aus einem Knaben aber wird ein Mann,
Das Bäumchen biegt sich, doch der Baum nicht mehr.

Sprich Ja und Nein, und dreh und deutle nicht;
Was du berichtest, sage kurz und schlicht,
Was du gelobest, sei dir höchste Pflicht,
Dein Wort sei heilig, drum verschwend es nicht!

Leicht schleicht die Lüge sich ans Herz heran,
Zuerst ein Zwerg, ein Riese hinternah,
Doch dein Gewissen zeigt den Feind dir an,
Und eine Stimme rut in dir: „Sei wach!“

Dann wach und kämpf´, es ist ein Feind bereit:
Die Lüg´ in dir, sie drohet dir Gefahr.
Kind! Deutsche kämpften tapfer allezeit,
Du deutshes Kind, sei tapfer, treu und wahr!


(Quelle: Robert Reinicks Märchen-, Lieder- und Geschichtenbuch, Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig, 1896)