Die fünf Gläser – Gedicht von Ernst Moritz Arndt (für vier Stimmen componiert von J. E. Leonhard)
Mein erstes Glas, mein bestes Glas,
Für des Gelags Genossen,
Für die vieltaufend Mal das Faß,
Sich lustig leer geflossen,
Die vor dem Zapfenloch‘ so gern
Gejubelt und gesündigt,
Und welchen oft der Morgenstern
Bei’m Weine den Tag verkündigt.
Mein zweites Glas, mein schönstes Glas,
Für Bacchus und Cytheren;
Wer je als Held beim Trunke saß,
Der hält sie hoch in Ehren.
Kein Herz ist fest vor Hieb und Stich,
Das Bacchus Kraft bezwungen,
Doch haben sie beim Wasser sich
Nie hohes Lob errungen.
Der Freundschaft dieses dritte Glas
Zur Heiligung des Festes;
Durch sie bezwang der Hölle Haß
Mit Pylades Orestes.
Durch sie ist manche Männerbrust
Zur Götterheimath worden,
Und sie versammelte in Luft
Auch diesen Zecher-Orden.
Mein viertes Glas, ein heil’ges Glas,
Soll vollen Klangs erschallen
Für die, so im Tyrannenhaß
Für’s Vaterland gefallen;
Für die auch, die im Sorgenhaß
Den Wein auf Fässer faßten
Und jubelnd bei dem vollen Glas
Hinsanken und erblaßten.
Mein fünstes Glas, mein letztes Glas,
Die heil’ge Fünfe lebe;
Es grün‘ und blüh‘ ohn‘ Unterlaß
Der süße Strauch der Rebe!
Es blühen Mädchen rosenjung
Mir noch bei´m grauen Haare,
Und Becherklang und Sang und Trunk
Begleite mich zur Bahre.
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Quelle: Bacchus – Buch des Weins, Sammlung der ausgezeichnetsten Trinklieder der deutschen Poesie, herausgegeben von E. M. Oettinger, Baumgärtner´s Buchhandlung, Leipzig, 1854
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