Rübezahl verwandelt sich in einen Esel

Rübezahl verwandelt sich in einen Esel – Volksgut, Autor unbekannt.

Einmal wanderte ein Glashändler von der Böhmer Seite her über das Gebirge und trug auf seinem Rücken eine schwere Last von Glaswaren, durch deren verkauf er das Brot für sich und Weib und Kinder daheim verdienen wollte. Es war ein heißer Tag, und der Mann trug doppelt schwer an seiner Last, weshalb er sich, auf der Höhe angekommen, nach einem Sitz umschaute, auf dem er die müden Beine für eine Weile ausruhen könne. Rübezahl, der als fürsorglicher Landesherr allzeit wohl achtgab auf die Gedanken der Leute, die sein Reich durchwanderten, erkannte auch die Wünsche dieses müden Glashändlers. Und als der ruhbedürftige Wanderer seine Blicke umhergehen läßt, sieht er gleich am Wege etwas liegen, das er für einen runden Klotz hielt, zu einem Ruhesitz wohlgeeignet, und er ließ sich darauf nieder.
Dem Geist, der in dieser Gestalt gewesen war, behagte die doppelte Last des Mannes und seiner Bürde auf die Dauer gar wenig, weshalb er sich unbedacht unter dem Manne wegrollte, dass der arme Kerl samt seiner Glaskiepe zu Boden schlägt und all seine Glaser zu Scherben gehen. Der Arme rappelt sich auf, sieht sich nicht um nach dem verhexten Klotz, der sich inzwischen in seine natürliche Gestalt zurückverwandelt hat; er sieht nur, dass seine Ware, für die er sein ganze Kapital angelegt hatte, bis zum letzten Stück zuschanden geworden ist, fängt also bitterlich zu weinen an und geht weinend seines Weges zu Weib und Kind.
Rübezahl aber, der aus den Klagen des Mannes wohl erkannte, was er da angerichtet hatte, kommt ihm von der anderen Seite in Gestalt eines Wandersmannes entgegen und fragt ihn, über welches Leid er denn so laut weine, worauf der Händler ihm den Hergang der Whrheit erzählte: „Acht Taler hatte ich zusammengebracht und im Böhmischen so viel gläserne Waren dafür gekauft dass ich hoffte, durch den Winter ein gutes Geld daraus zu lösen, um mit Weib und Kind ins Frühjahr zu kommen. Das ist nun alles dahin, und ich wüßte nicht, wie ich zu euer War´ kommen sollt.“ Rübezahl redete ihm freundlich zu, er solle sich zufriedengeben; da er sich an der Sache schuldig wisse, werde er ihm auch helfen, den Schaden wieder gutzumachen und erzählte ihm, dass er selbst der Klotz gewesen, auf dem er gesessen, und er sich aus Übermut unter ihm weggewälzt habe. Nun wolle er sich in einen Esel verwandeln, den möge der Glaskrämer zu einem Müller führen, der nahebei im Gebirge wohne, und ihn dort verkaufen.
Was geschieht? Im Nu steht der Esel vor dem Armen; der setzt sich auf seinen Rücken, reitet getrost vom Gebirg hinunter, kommt vor die Mühle und bietet den Esel für zehn Taler feil. Der Müller gefällt das hübsche Tier; er bietet neuen Taler und kauft es. Der Glaskrämer freut sich, fragt nicht danach, was aus seinem Esel werden möge, sondern geht seines Weges.
Der Müller freut sich auch, führt seinen neuen Gehilfen in den Stall, und als zur rechten Futterzeit der Müllerknecht in den Stall kommt und dem Esel Heu zum Fressen vorlegt, da wendet dieser den Kopf dem Knechte zu und spricht: „Ich fresse kein Heu, sondern nur Gebratenes und Gebackenes.“ Der Bursche läßt vor Schreck die Gabel fallen und läuft zu seinem Herrn, ihm das große Wunder zu berichten, von welcher Art der Esel sei, den er gekauft hat, von welcher Art der Esel sei, den er gekauft hat, worauf denn der Müller unverweilt in den Stall läuft. Da findet er aber den Esel nicht, sondern nur einen Eselschwanz an der Krippe hangen und seine neuen Taler in die Schwanzquaste gebunden.
So hatte er keinen Schaden erlitten und war mit dem Schrecken und großem Wundern davongekommen.

(Quelle: Vor den Toren, August Babel Verlag, Düsseldorf, 1952)