Schwarzwald! deiner Tannen rauschen
Zwingt mit süßem Heimatton,
Wie das Mutterwort den Sohn,
Immerdar mein Herz zum Lauschen;
Ob geweckt von Sturmesmächten
Wie ein Schlachtenchor es klingt,
Oder ob es stillen Nächten
Friedensmelodien singt.
Deiner treuen Schattennacht
Hab´ ich seit der Kindheit Tagen.
Mild gelenkt von deiner Macht,
Schmerz und Freude zugetragen.
Schon des Knaben heiß Verlangen
Floh des Hauses düstre Hast,
Einen Hauch von deiner Kraft,
Deiner Freiheit zu empfangen.
Hoch auf deinen freien Höhn,
Wo die finsteren Tannenriesen
Trotzig ernst im Windeswehn
Rauchen um der Halde Wiesen,
Wo das Auge überfliegt
Stolzen Blick´s die Welt im Thale,
Wie der Wein, der sich im Strahle,
Goldnen Lichtes drüber wiegt;
Und in deinen stillen Gründen,
Im Revier verschwiegner Klüste,
Wo bewegte Abendlüfte
Wunderbare Märchen künden,
Wo des Bergs zerrissnen Adern
Lust´ge Quellen laut enttosen,
Wo von starren Felsenquadern
Fröhlich nicken wilde Rosen,
Wo versenkt fast unter Rnken
Burgruinen düster rgen,
Der Vergänglichkeit Gedanken
Im zersprengten Wappen tragen,
Wo die stillen Schattenräume
Noch des Wildes Spur bewahren,
Wuchsen als dein Offenbaren
Meiner Dichtung schönste Träume!
Aus des Waldsees Fluten riefen
Sie das Elfenkind der Sage,
Dem der Nachklang alter Tage
funkelt aus des Auges Tiefen.
Einen Zug Unendlichkeit
Tranken sie aus deinem Rauschen,
Dass ich über Raum und Zeit
Forschend drang, dem Geist zu lauschen,
Der in deiner Einsamkeit
Zu mir sprach in tausend Zungen,
Bis ein Hauch der Göttlichkeit
Weihevoll mein Herz durchdrungen.
So hast du mich festgekettet,
Bist du teuer mir geworden.
Wie zu eines Eilandes Borden
Sich im Sturm der Schiffer rettet,
Hat sich müde, schmerzzerschlagen
Dir mein Herz auch zugewandt,
Und du wurdest meinen Klagen
Oftmals ein Erlösungsstrand!
Wie die timmen edler Toten
Sprach dein Flüstern mir ins Herz,
Wenn verzweifelt ich im Schmerz
Trug dem Kampf der Zeit geboten.
Deiner Frische einen Hauch
Gabst du mir zum Trost und Segen,
Dass ich trug das Leben auch
Stark und frisch auf dunklen Wegen.
Immer hat dein Zauber bald
Wieder mir das Herz bezwungen,
Tief hat mich dein Geist durchdrungen,
Wunderbarer schwarzer Wald!
Ernst wie du ins Thal hernieder
Schau ich auf des Lebens Bahn,
Doch im Innern jubeln Lieder
Frisch und freudig himmelan!
Schwarzwaldgruss ist ein Gedicht von Ludwig Auerbach
erschienen in: Aus dem Schwarzwald, Druck und Verlag von Moritz Schauenburg, Lahr, 1889.