Siebenundsiebzig Küchlein

Siebenundsiebzig Küchlein – Märchen aus Bayern, Autor unbekannt.

Da drüben auf der anderen Seite des Gebirges wohnen sehr arme Leute, viel ärmer sind sie noch als die Gebirgsbauern des einsamen Hochtals diesseits der Bergwand, die bei ihrem Fleiß und ihrem sparsamen Wirtschaften doch recht gut auskommen. Da ist dann auch einmal ein Bettelmann von drüben gekommen, als man hier gerade die Kirchweih feierte. Der ist das ganze Tal herab- und wieder heraufgewandert und hat in allen Häusern um Kücheln gebettelt. Er bekam auch im ganzen siebenundsiebzig Kücheln zusammen. Die siebenundsiebzig Kücheln schob er alle in seine Betteltasche, um sie nach Hause zu bringen und auf längere Zeit etwas zu haben. So machte er sich denn auf den Heimweg.
Wie er den Fußsteig neben dem Wasserfall erreicht hatte, da wandelt ihn gleich in der ersten Krümmung schon eine Lust an nach den siebenundsiebzig Kücheln, und er meinte, er solle jetzt wohl eines davon essen; auf eines käme es gerade nicht an. Und wirklich verzehrte er in der ersten Krümmung den Kuchen. Der schmeckte ihm aber so vortrefflich, dass er in der zweiten Krümmung zum zweiten schritt und diesen mit ebenso großem Appetit verzehrte. Und wie er in der dritten Krümmung das dritte und in der vierten das vierte der Küchlein verzehrt hatte, da meine er, es wäre doch eine nicht zu verachtende Herzstärkung, wenn er in jeder Krümmung so eines von den Küchlein verzehren würde. Der Weg wäre dann nicht so langweilig, und bis er mit den siebenundsiebzig Küchlein fertig wäre, wäre er auch mit den siebenundsiebzig Krümmungen fertig hätte die höchste erstiegen.
Und so tat er denn auch wirklich, und wie er die siebenundsiebzigste Krümmung erstiegen und das siebenundsiebzigste Küchlein gegessen, da hat es ihm den Magen verrissen, so dass er zerplatzte. Seit dieser Geschichte hütet sich jeder, der da hinaufsteigen muss, unterwegs etwas zu essen.