Weihnacht – ein Gedicht von Ernst von Wildenbruch.
Die Welt wird kalt, die Welt wird stumm,
der Wintertod geht schweigend um;
er zieht das Leilach weiß und dicht
der Erde übers Angesicht –
schlafe – schlafe.
Du breitgewölbte Erdenbrust,
du Stätte aller Lebenslust,
hast Duft genug im Lenz gesprüht,
im Sommer heiß genug geglüht,
nun komme ich, nun bist du mein,
gefesselt nun im engen Schrein –
schlafe – schlafe.
Die Winternacht hngt schwarz und schwer,
ihr Mantel fegt die Erde leer,
die Erde wird ein schweigend Grab,
ein Ton geht zitternd auf und ab!
Sterben – sterben.
Da horch – in totenstillem Wald
was für ein süßer Ton erschallt!?
Da sieh – in tiefer, dunkler Nacht
was für ein süßes Licht erwacht?
Als wie von Kinderlippen klingt´s
von Ast zu Ast wie Flammen springt´s,
vom Himmel kommt´s wie Engelsang,
ein Flöten- und Schalmeienklang:
Weihnacht! Weihnacht!
Da gehen Tür und Tore auf,
da kommt der Kinder Jubelhauf´,
aus Türen und aus Fenstern bricht
der Kerzen warmes Lebenslicht.
Bezwungen ist die tote Nacht,
zum Leben ist die Lieb´ erwacht,
der alte Gott blickt lächelnd drein,
deß laßt uns froh und fröhlich sein!
Weihnacht! Weihnacht!