Das hochmütige Pferd und der Esel

Das hochmütige Pferd und der Esel – Autor: Romulus

Hören wir die Fabel, die von den Zeitumständen und Wechselfällen des Glücks handelt. Wer sich glücklich weiß, tue keinem Unrecht und denke daran, dass alles Glück zweifelhaft ist, wie diese Fabel lehrt!
Ein mit goldnem und silbernem Zaumzeug herausgeputzes, mit kostbarem Sattel und Schabracke ausstaffiertes, von jugendlicher Kraft strotzendes Pferd begegnete auf einem schmalen Pfad einem Esel, der von weither kam und eine schwere Last trug. Müde von dem langen Weg machte er dem vorübergehenden Pferd nur zögernd Platz. Da sagte das Pferd zu ihm: „Ich muß mit Gewalt an mich halten, sonst würde ich dir mit meinen Hufen die Rippen zerbrechen, weil du nicht vor mir zurückgewichen oder stehengeblieben bist, bis ich vorbei war!“ Erschrocken schwieg der arme Esel bei dieser anmaßenden Behandlung.
Nicht lange danach war das Pferd abgeritten und bei dem Mangel an ausreichender Pflege ganz abgemagert. Da wurde es auf Geheiß des Herrn auf das Landgut gebracht und mußte Mist auf die Äcker bringen. Bäuerlich angeschirrt und mit schwerer Last schritt es nun auf schmalen Wegen. Der Esel weidete auf einer Wiese und erkannte das jetzt unglückliche Pferd wieder. Höhnisch rief er ihm zu: „He! Was hat dir deine kostspielig Aufmachung nun geholfen, die dich so anmaßend machte? Jetzt mußt du ebenso wie wir Landarbeit verrichten. Bist du etwa noch so anmaßend?“ – Die Fabel ist eine Lehre für alle: Keiner, der mächtig ist, möge irgend jemand einschüchtern.