Der Kampf mit dem Lindwurm

Der Kampf mit dem Lindwurm – eine Erzählung von Friedrich Rappold.

Zur Zeit, als Herzog Karast von der Karnburg herab gebot, deckte die Gegend nahe dem Wörthersee, wo sich heute die freundliche Landeshauptstadt Klagenfurt erhebt, nur feuchtes Moos und wildes, vielverzweigtes Gesträuch. Die Menschen mieden diese unheimliche Stille; denn keiner kehrte wieder, der sich dahin gewagt hatte. Ebenso verschwand manches fette Rind, ohne dass jemand den furchtbaren Würger je gesehen; denn meist lag schwerer Nebel über der Gegend. Der Herzog gebot vergebens dem Tapfersten seiner Mannen, das Ungeheur auszuforschen und zu erlegen. Furcht und Schrecken hatte sich auch der Kühnsten bemächtigt. Nur List konnte das verborgene Ungetüm aus seinem sicheren Schlupfwinkel herauslocken. Der Herzog erbaute am Rande des Sumpfes einen festen Turm, aus dessen wohlverwahrten Öffnungen man den Feind weithin beobachten konnte.

Ein mutiges Häuflein von Knechten, vom Preise des Sieges angelockt; zog aus zum Kampfe; denn der Herzog hatte verkünten lassen, das ganze Land, so weit des Untiers gefräßiger Zahn herrsche, sei des Siegers Eigentum, wer immer er auch sei.

Ein fetter Stier wurde von den Knechten an eine Kette gefesselt und an dieser ein Widerhaken befestigt. Das Gebrüll des geängstigten Tieres erfüllt weit umher die Lüfte. Nicht lange und es brauste auf im Sumpfe, himmelan spritzte Gicht und wie ein Pfeil schoß ein scheußlicher Wurm hervor, mit einem großen Panzer bedeckt. Seine Krallen packten den gefesselten Stier und sein mit Zähnen besetzter Rachen öffnete sich, um ihn zu verschlingen. Da fasste das gekrümmte Eisen den Gaumen des Ungeheuers. In furchtbaren Reien schlägt nun der Lindwurm seinen Schweif und wütend gräbt er die spitzen Krallen in den Bauch des Rindes. Jetzt springen rasch die Knechte hinzu und es gelingt ihnen, das Untier zu erschlagen und so das Land von seiner Plage zu befreien.

Auf der Stelle des Drachenkampfes erstand ein friedliches Dörfchen und wo der Turm gestanden hatte, baute der Herzog ein Schloß. Aus dem Dorfe und dem Schlosse entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte eine Stadt, die jetzige Hauptstadt Kärntens. Sie nahm steten Andenken an diesen Kampf den Lindwurm und den schützenden Turm in ihr Wappen und stellte auf dem Hauptplatze ein Abbild des Ungeheuers auf.

(Quelle: Neues Jugendbuch, Loewes Verlag Ferdinand Carl, Stuttgart)