Die Geschöpfe und die Erde – [Erzählung]

Die Geschöpfe und die Erde, Erzählung von Max Meil.

Bevor der Herr die Erde erschaffen hatte, rief er die Tiere zusammen und fragte sie, wie er sie wohl machen sollte.
„Mache sie recht eben und weit, daß sie nicht aufhört“, rief das Pferd und wieherte mutig.
„Mache sie recht dick und weich“, sagte der Maulwurf, „daß ich überöll durchkomme.“
„Wenn sie nicht ganz voll Wasser und flüssig ist“, meinte der Fisch, „so habe ich wenig Freude daran.“
„Ich will, daß sie voll hoher, spitziger Berge ist!“ sagte der Adler. „Ich will noch über ihnen fliegen und hinunterschauen und thronen auf ihnen.“
„Mach sie nur nicht zu klein“, bat die Mücke. „Recht groß laß sie sein, damit viele Mücken auf ihr Platz haben.“
Der Herr hatte ihnen zugehört, und da er sie alle gleich liebte, groß wie klein, erfüllte er jedem einzelnen den Wunsch; und so wie er es tat, waren sie zufrieden. Er machte die Erde eben und weit für das Pferd und dick und weich für den Maulwurf, daß er überall durchkam; machte genug Wasser auf ihr, daß die Fische Freude hatten, umd machte sie auch voll spitzer Berge, wie sie der Adler liebte, und groß genug, daß die Mücken Raum hatten zu spielen.
Der Mensch aber sah, daß die Erde für sie alle gemacht war, er aber nicht gefragt worden war, wie er sie wünschte. Da wandte er sich mit Klagen an den Herrn und sprach:
„Ale Geschöpfe hast du gefragt, wie die Erde ihnen taugen soll, nur mich nicht. Da darfst du auch nicht erwarten, daß ich mit ihr zufrieden bin, da du sie doch gemacht hast, wie die alle sie ollen und nicht, wie ich sie will!“
Der Herr aber entgegnete: „Du bist auch nicht gemacht, um an ihr den Genüge zu haben! Hast du denn wie die Tiere die Augen zur Erde gewendet? Du sollst auf ihr zu Hause sein, aber der anderen Heimat, die du hast, gedenken. Dazu bist du da.“
Und seit damals geht der Mensch aufrecht.

entnommen:
Vor den Toren, Lesebuch für Rheinland-Pfalz, August Bagel Verlag Düsseldorf, 1952


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