Die Kuh, die kein Gras frass, ein Schwank aus Schwaben.
Einmal gingen die Schildbürger, die gar ernstlich auf den allgemeinen Nutzen bedacht waren, hinaus, eine Mauer zu besehen, die noch von einem alten Bau übriggeblieben war, ob sie nicht die Steine mit Vorteil anwenden könnten. Nun war aber auf der Mauer schönes, langes Gras gewachsen; das dauerte die Bürger, wenn es verloren sein sollte. Deswegen hielten sie Rat, wie man es etwa nutzen könnte.
Die einen waren der Meinung, man sollte es abmähen. Aber niemand wollte sich auf die hohe Mauer wagen. Andere meinten, wenn Schützen unter ihnen wären, so dürfte es das beste sein, wenn man es mit einem Pfeile herabschösse. Endlich trat der Schultheiß hervor und riet, man solle das Vieh auf der Mauer weiden lassen, das würde mit dem Gras wohl fertig werden. So dürfe man es weder abmähen noch abschießen. Diesem Rate neigte sich die ganze Gemeinde zu, und zur Danksagung wurde erkannt, dass des Schultheißen Kuh die erste sein sollte, die den guten Rat zu genießen hätte.
Darain willigte der Schultheiß mit Freuden. So schlangen sie der Kuh ein starkes Seil um den Hals, warfen es über die Mauer und fingen an der anderen Seite an zu ziehen. Als nun der Strick zuging, wurde, wie vorauszusehen, die Kuh erwürgt und reckte die Zunge aus dem Schlunde. Als ein langer Schildbürger dies gewahr wurde, rief er ganz erfreut: „Ziehet, sie hat das Gras schon gerochen! Seht, wie sie die Zunge danach ausstreckt! Sie ist nur zu ungeschickt, dass sie sich nicht selbst hinaufhelfen kann! Es sollte sie einer hinaufstoßen!“ Aber es war vergebens; die Schildbürger konnten die Kuh nicht hinaufbringen und ließen sie daher wieder herab. Und jetzt wurden sie erst inne, dass die Kuh schon lange tot war.