Die Nachtmusik

Die Nachtmusik – Sage von Johann Gustav Büsching.

Lustige Musikanten aus Tilleda beschlossen einmal, dem alten Kaiser eine vollständige Nachtmusik darzubringen. In der Mitternachtsstunde gehen sie im Mondenschein den Berg hinauf und langen grade um Mitternacht oben an. Eben schlägt drunten im Dorfe die Glocke zwölf, als sie losblasen. Beim zweiten Stücke kommt die Prinzessin mit einem Lichte in der Hand tanzend auf sie zu und winkt ihnen zu folgen. Der Berg thut sich vor ihnen auf und mit klingendem Spiele ziehen sie der Prinzessin nach mitten in die unterirdische Herrlichkeit des Kaisersitzes hinein. Essen und Trinken wird ihnen reichlich aufgetischt und sie lassen sich’s gut schmecken, doch hätten sie gern auch etwas von den Schätzen gehabt, die rings in großer Menge umherlagen. Aber niemand bot ihnen etwas an. Endlich, als der Morgen graut, brechen sie wieder auf, der Kaiser nickt ihnen recht freundlich zu und die Prinzessin reicht jedem einen grünen Busch zum Andenken. Als sie wieder aus dem Berge heraus und im Freien angelangt sind, werfen sie die Büsche, die sie Ehren halber angenommen haben, fort und lachen und schelten über solch ein kaiserliches Geschenk; nur einer behält den Busch und will ihn zum Andenken aufheben. Als er nach Hause kommt, überreicht er seiner Frau scherzend den Busch, und gewahrt auch in demselben Augenblicke, daß der Busch nicht mehr leicht ist und daß alle Blätter und Zweige sich in gediegenes Gold verwandelt haben. Schnell liefen die andern auf den Berg zurück, um ihre fortgeworfenen Büsche zu holen, aber sie waren fort. Ihr Mißtrauen hatte sie betrogen.


Quelle: Deutscher Sagenschatz, herausgegeben von Dr. J. W. Otto Richter, Verlag von Otto Mähnert, Eisleben, 1877