Die Prinzessin vom Bodensee

Die Prinzessin vom Bodensee* – Gedicht von Georg Rapp

Es sah die Insel aus dem See,
Mit weißer Brust zur blauen Höh‘;
Sie spiegelt sich im Wellenbade,
Sie winkt hinüber zum Gestade:
„Mein ist des Seees Diamant,
Wer mag ihn holen sich im Land?“

Und wie er glänzt vom Söller her,
Macht jedes Herz die Liebe schwer:
„O Fürstenkind der Alemannen,
Wer darf dein schlankes Bild umspannen?“
Das darf die keusche Luft allein,
Der Wellen froher Silberschein.

Sie lächelt in das schöne Land:
„Wer freit die stolze Fürstinhand?
Mein ist der freie Inselhügel,
Mein dieses Meeres weiter Spiegel,
Mein ist der hohe Jugendleib;
Wo blüht umher ein reicher Weib?“ –

Der See umwallt sie meilenweit,
Und höhnt der Freier heißes Leid.
Da reitet von den Alpenhöhen
Ein welscher Graf, sie zu erflehen.
Als Bote zieht sein Hund voraus,
Er schwimmet zu der Fürstin Haus.

Er beut ihr dar den Liebesbrief:
„Sind deine Wellen trüglich tief,
Und kannst du treu und tiefer lieben,
So rüst‘ ich dir die Barke drüben,
Die hole dich zum Land so hold,
Zum Marmorschloß voll Lust und Gold!“

Sie knüpft ihr Wort dem Boten an:
„Dein Leib sey deiner Hoffnung Kahn,
Dein Segel sey die Lieb‘ alleine,
Dann will ich folgen als die Deine.“ –
Er reitet fort mit Spott und Schaam:
„Nimm einen Fisch zum Bräutigam!“

Eine Taube fliegt auf ihre Hand
Und beut ein flehend Busenband:
„Auf meinen grünen Schweizerauen
Laß uns die Bundeshütte bauen;
O komm zu mir, du Himmelslicht!
Ein treuer Herz beglückst du nicht!“ –

Die Taube kehrt zum Alpensohn:
„Was sucht der Hirt den Fürstenlohn?
In meinen grünen Wellengründen
Magst du die Bundeshütte finden.“ –
Da sinkt er in den tiefen See,
Mit seiner Liebe tiefem Weh. –

Es lagert im verheerten Feld
Ein Werber neu, der Frankenheld:
„Ich habe ihrer Väter Marken,
Will nun im schönern Sieg erstarken.
Mein Edelfalke trage hin
Den Brautring meiner Königin!“

Hoch schwebt der Falk und unsichtbar,
Was schimmert durch die Luft so klar?
Es fällt mit stummen Siegergrüßen
Ein Demantring zu ihren Füßen;
Sie steckt ihn sinnend an die Hand
Und schaut erröthend nach dem Strand.

Dann kränzt sie ihren Ahnensaal
Und füllt den gastlichen Pokal;
Sie läßt den Pfad voll Blumen säen,
Die Thore auseinandergehen;
Sie steht im bräutlichen Talar,
Den Myrthenzweig im blonden Haar.

Und dort beschwört den See der Held:
„Besitzen will ich ihre Welt!
Sey mein, du frohes Reich der Wellen!
Ihr sollt euch meiner Liebe stellen,
Versäumt die Unterthanenpflicht,
Ihr hellen Geister, drunten nicht!“

Er schickt sich rasch zur Reise an,
Und furcht der Wogen klaren Plan,
Da summt und quillt es aus den Tiefen,
Als ob ihn Geisterstimmen riefen.
Er bannt sie mächtig aus der Gruft,
Denn droben ist, die ihn beruft.

Die Geister heben ihn empor;
Er tritt, den Blick voll Liebe, vor.
Er schreitet auf den Blumenwegen
Der Herrin durch das Thor entgegen.
Sie reicht ihm des Willkommens Trank
Und küßt vom Mund der Liebe Dank.

Sie blüh’n, ein friedlich Fürstenhaus,
Das dehnt sein Reich in Liebe aus. –
Die Wassergeister mit den Grotten,
Die Burgen und die Heldenflotten,
Die Insel, ihres Namens Klang, –
Verschwanden längst im Zeiten Drang.

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* Als die Bewerber um die Hand der lieblichen allemanischen Prinzessin, als welche hier der Bodensee mit seinen umliegenden Gauen allegorisch dargestellt wird, denkt sich der Dichter wahrscheinlich unter dem welschen Grafen die Römer, unter dem Alpensohne die Helvetier, und unter dem Frankenhelden das Haus der jetzigen Herrscher.