Eulenspiegel und die Honigdiebe

Auf einem Schützenfeste hatte Till so viel Bier getrunken, dass er ganz müde wurde. Deshalb suchte er sich ein Plätzchen, um ein bißchen auszuschlafen. a fand er hinter einem Hause einen Haufen Bienenkörbe. „Oh, darin kann ich schlafen! Hier stört mich keiner!“ frohlockte er und kroch in einen leeren Bienenkorb. Dann schlief er ein.
Als es Mitternacht und stockdunkel war, schlichen zwei Spitzbuben herbei. Sie wollten einen Bienenkorb stehlen, um den süßen Honig zu kriegen. Der eine flüsterte: „Der meiste Honig steckt im schwersten Korb.“
Nun hoben die Diebe alle Körbe hoch, einen nach dem andern. Schließlich faßten sie den, worin Eulenspiegel lag und schlief. Sie bemerkten ihn jedoch nicht, weil es so dunkel war. „Donnerwetter“, sprachen beide, „dieser ist am schwersten; den wollen wir nehmen!“ Ächzend hoben sie ihn auf und schleppten ihn fort.
Da erwachte Till. Wartet, dachte er, euch will ich stehlen lehren! Vorsichtig steckte er seine Haus aus dem Bienenkorb und zupfte den vorderen Dieb am Haar.
„Auch!“ schrie der; „was fällt dir ein?“ Er meinte, seine Genosse habe ihn gezupft.
Der aber: „Du träumst wohl? Wie kann ich den zupfen! Ich muß ja den schweren Korb mit beiden Händen tragen!“
Eulenspiegel lachte heimlich. Und als sie ihn eine Ecke weitergetragen hatten, zupfte er den hinteren Dieb tüchtig am Schopf. er wurde zornig und schalt: Du bist wohl ganz verrückt! Weshalb ziehst du mich am Haar?“
„Du lügst!“ schrie der erste. „Zwar hast du mich vorhin gezupft, ich aber habe es nicht getan. Meine Hände tragen den Korb, und ich kann kaum den Weg in der Dunkelheit finden!“
Eulenspiegel saß ein Weilchen still. Plötzlich zog er den ersten wieder so derb, dass sein Schädel an den Korb stieß. Wütend ließ der Dieb die Last fallen.
„Du Schuft!“ brüllte er und gab dem andern eine dicke Ohrfeige.
„Auweh! Das lasse ich mir nicht gefallen!“ heulte laut und voller Zorn der zweite und fiel über seinen Genossen her. Er packte ihn, und sie verdroschen sich so, dass sie hinpurzelten. Bei der Dunkelheit kamen sie jedoch auseinander und fanden sich nicht wieder. Eulenspiegel blieb in dem Korb liegen und schnarchte, bis es heller Tag war.
(Volksgut)


Quelle: Vor den Toren, August Babel Verlag, Düsseldorf, 1952


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