Moses Mendelssohn – Erzählung von Johann Peter Hebel.
Moses Mendelssohn war jüdischer Religion und Handlungsbedienter bei einem Kaufmann, der das Pulver nicht soll erfunden haben. Dabei war er aber ein sehr frommer und weiser Mann und wurde daher von den angesehensten und gelehrtesten Männern hochgeachtet und geliebt. Und das ist recht. Denn man muß um des Bartes willen den Kopf nicht verachten, an dem er wächst. Dieser Moses Mendelssohn gab unter anderm von der Zufriedenheit mit seinem Schicksal folgenden Beweis. Denn als eines Tages ein Freund zu ihm kam, und er eben an einer schweren Rechnung schwitzte, sagte dieser: „Es ist doch schade, guter Moses, und ist unverantwortlich, daß ein so verständiger Kopf, wie ihr seid, einem Manne ums Brot dienen muß, der euch das Wasser nicht bieten kann. Seid ihr nicht am kleinen Finger gescheiter, als der am ganzen Körper, so groß er ist?“ Einem andern hätt‘ das im Kopf gewurmt, er hätte Feder und Tintenfaß mit ein paar Flüchen hinter den Ofen geworfen und seinem Herrn aufgekündet auf der Stelle. Aber der verständige Mendelssohn ließ das Tintenfaß stehen, steckte die Feder hinter das Ohr, sah seinen Freund ruhig an und sprach zu ihm also: „Das ist recht gut, wie es ist, und von der Vorsehung weise ausgedacht. Denn so kann mein Herr von meinen Dien- sten viel Nutzen ziehen, und ich habe zu leben. Wäre ich der Herr und er mein Schreiber, ihn könnte ich nicht brauchen.“
(Quelle: Schätzkästlein des Rheinischen Hausfreundes, American Book Company, 1913)