Der kleine Lebensretter

Der kleine Lebensretter – eine Erzählung von Wilhelm von Kügelgen.

Wenn wir im Garten spielten, schloß sich uns häufig ein kleiner Barfüßler von unserm Alter an. Er hieß Fritz Petzold und war der Sohn des Gärtners.
Eines schönen Morgens ließ uns nun unsere Wärterin ohne Aufsicht. Wir aber vergnügten uns mit einigen zugelaufenen Nachbarskindern, welkes Laub aufzulesen und über as Geländer der kleinen Brücke in die Katzbach zu werfen. Dann liefen wir einige dreißig Schritte abwärts, wo zum Wasserschöpfen an tiefer Stelle ein Schmales Brett über den Bach gelegt war, um dort die kleinen goldenen Schiffchen wieder aufzufangen.
Ich war den andern rasch vorausgelaufen und hockte bereits jubelnd auf dem schwachen Stege, als dieser ganz plötzlich umschlug und ich kopfüber ins Wasser schoß. Die erschrockenen Freunde stoben auseinander, verschwanden durch Hecken und Zäune, wo sie hergekommen waren, und ich selber gab mich sogleich verloren.
Nicht so Fritz Petzold. In dem Augenblick, als ich versank, sprang er entschlossen auf den Steg, griff in die Tiefe, packte meine Haare und schrie, so laut er konnte, nach seinem Vater. Zwar brachte er mich mit dem Kopfe über Wasser, doch nicht weiter, und ich dachte jeden Augenblick, samt meinem Freunde zu ertrinken; denn das kleine Brettchen schwankte hin und her wie eine Schaukel. Aber Fritz Petzolds Geschrei erreichte das Ohr des Vaters, der nun mit vollen Sätzen über eine Gemüsebeete herbeiflog und mich herauszog. Triefend und mit schwarzem Schlamm überzogen, hing wie ein erschlagener Maulwurf in seinen Händen, als er mich den Eltern brachte.
Die Mutter beschenkte den guten Jungen nach Kräften, und unsere Kinderherzen blieben lange Zeit treu verbunden.

Die Geschichte „Der kleine Lebensretter“ aus dem Buch:
Vor den Toren, Lesebuch für Rheinland-Pfalz, August Bagel Verlag Düsseldorf, 1952


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