Etwa aus der Türkei – Erzählung von Johann Peter Hebel
In der Türkei ist Justiz. Ein Kaufmannsdiener, auf der Reise von der Nacht und Müdigkeit überfallen, bindet sein Pferd, das mit kostbaren Waren beladen war, nimmer weit von einem Wachthaus an einen Baum, legt sich selber unter das Obdach des Baums und schläft ein. Früh, als ihn die Morgenluft und der Wachtelschlag weckte, hatte er gut geschlafen, aber das Rößlein war fort.
Da eilte der Beraubte zu dem Statthalter der Provinz, nämlich zu dem Prinzen Carosman Oglu, der in der Nähe sich aufhielt, und klagte vor seinem Richterstuhl seine Not. Der Prinz gab ihm wenig Gehör. „So nahe bei dem Wachthaus, warum bist du nicht die fünfzig Schritte weiter geritten, so wärest du sicher gewesen? Es ist deines Leichtsinns Schuld.“ Da sagte der Kaufmannsdiener: „Gerechter Prinz, hab‘ ich mich fürchten sollen, unter freiem Himmel zu schlafen in einem Lande, wo du regierst?“ Das tat dem Prinzen Carosman wohl und wurmte ihn zugleich. „Trink‘ heute nacht ein Gläslein türkischen Schnaps,“ sagte er zu dem Kaufmannsdiener, „und schlafe noch einmal unter dem Baum.“ So gesagt, so getan. Des andern Morgens, als ihn die Morgenluft und der Wachtelschlag weckte, hatte er auch gut geschlafen, denn das Rößlein stand mit allen Kostbarkeiten wieder angebunden neben ihm, und an dem Baum hing ein toter Mensch, der Dieb, und sah das Morgenrot nimmermehr.
Bäume gäb‘ es noch an manchen Orten, große und kleine.